Durch die einseitige Kost im Kriegsgefangenenlager in Brijansk (eingeliefert: Juni 1945), durch meine Krankheiten Im Kriegsgefangenenlazarett (eingeliefert: November 1945), dem Genesungslager bei Nowozybkow und im Lager Nowozybkow traten Mangelkrankheiten auf. Ich wurde nachtblind. Das äußerte sich, dass ab einem bestimmten Dämmerungslicht, ich nichts mehr sah. Es blieb alles schwarz. Ich konnte wohl erkennen, dass dort ein Lichtschein war, aber ob es sich um sein Lagerfeuer, ein beleuchtetes Fenster, oder eine Laterne war, konnte ich nicht feststellen. Mit Medikamenten sah es sehr schlecht, da verordnete mir die russische Lagerärztin Arbeit auf eine Kolchose, die auch Karotten angebaut hatte.
Als ich hin kam, waren schon einige Plennis dort beschäftigt und das Ganze stand unter einem Kommando von einem älteren russischen Wald- und Wildhüter, der zum Zeichen seiner Macht eine Schrotflinte immer mit sich herum trug. Die anderen Kriegsgefangenen hatten richtige Bauernarbeiten zu erledigen. Ich brauchte nur die über 1000 Meter langen angepflanzten Karottenzeilen entlang zu gehen und das Unkraut dazwischen ausreißen. Die Arbeit war nicht anstrengend und nach dem Abendessen saßen wir zusammen und plauderten. Der Waldhüter sprach ganz gut deutsch über alles und jedes. Und wenn wir schlafen gingen, musste mich ein Kamerad zu meinem Schlafplatz führen, denn ich sah ja nichts.
Außer den Ausputzen der Karottenzeilen durfte ich von den jungen Babykarotten essen so viel ich wollte und vertrug. „Aber nicht alle nebeneinander, lass einen Zwischenraum, so ist es für die Naturalien besser und es schaut auch für deine Arbeit schöner aus“.
Eines Tages sollte ich zum anderen Teil der Kolchose, die durch einen Wald getrennt war, das Essen für zwei Kriegsgefangene bringen. Ich marschierter am späten Vormittag mit den Kochgeschirren und einen handfesten Knüppelstock bewaffnet weg. Lieferte die Kochgeschirre ab und machte mich gleich auf dem Heimweg.
Auf dem schmalen Karrenweg, der durch den Wald führt, kam mir plötzlich ein Hund entgegen, stark verwildert und ich hielt ihn für einen nicht gepflegter Schäferhund. Glaubte ich. Wir kamen uns näher und in einem Abstand von 5 bis 6 Meter hielten wir beide und schauen uns an. Ich nahm den Knüppel fester, denn ganz geheuer war mir die Sache nicht. Aber nach einigen Minuten (?) machte das Tier kehrt und war im Wald verschwunden. Und ich marschierte zu meinen Karotten zurück.
Abends erzählte ich von der Begegnung.. Da wurde unser Starschi Waldhüter ganz auf geregt, „Das ist der Wolf. Der ist sehr gefährlich. Sie jagen ihn schon 2 Jahre. Der hatte Hühner und Hasen gerissen und auch Menschen soll er angefallen haben. Ich soll sofort mit ihm zu dieser Stelle gehen. Ich muss ihn erschießen!“ Nur mit Müh und Not konnten wir ihn davon abhalten. Denn erstens sehe ich in der Nacht nichts. Und zweitens mit seinem Schrotgewehr, das nur mit Vogelschrot geladen war, hätte er nicht viel ausgerichtet!“
Aber ich war der Held, der den Wolf mit dem Knüppel vertrieben hat. Das sprach sich in ganzen Gebiet Nowosybkow herum. Und als ich später in der Stadt Nowosybkow beschäftigt war, hat mich sogar ein Arbeiter darüber angeredet.
Und wenn ihr nach Nowosybkow (falls es nicht durch den Supergau von dem 200 km entfernten Tschernobil verstrahlt wurde) kommt und hört die Geschichte von dem Helden, der einen wilden gefürchteten Wolf nur mit einem Knüppel in die Flucht geschlagen hat. Das war ich.