Was geschah mit
dem IG.- Zug? 45
24.April 1945
Ich habe mir lange �berlegt, ob ich diese Episode in die Sammlung meiner
AUGENBLICKE hinein nehmen soll. Es ist auf alle F�lle ein Pr�fstein f�r mich,
um meinen Standpunkt,� meine Gef�hle, Meinung, Erfahrungen, zu dieser
Angelegenheit, und ob ich es auch noch so schildern kann, wie ich sie erlebt habe. Und welche Stellung beziehe ich� heute dazu und welche hatte
ich damals.
Ich muss vorausschicken und daran erinnern. Ich wurde als Berufssoldat
ausgebildet. Mein Wissen und K�nnen war darauf ausgerichtet. Die damalige
politische Lage und Umgebung ist mit einzubeziehen und vor allem, es noch war Krieg. Am
24.April 1945. In 14 Tagen war der Krieg zu Ende. Noch eines m�chte ich
anf�hren und damit ist mir sehr ernst. Dies soll keine Grundlage zu einer
Diskussion oder einer eventuellen pers�nlichen oder rechtsm��igen Verurteilung
(?) sein. Aber auch nicht ein Loblied �ber den Widerstand gegen Nazidiktatur
u.s.w. Es ist, zumindest versuche ich es, eine Schilderung eines Vorfalles,
noch mitten im Krieg.
Wir waren zwar schon im echten geplanten R�ckzug.
(Geschildert unter AUGENBLICKE /Halten sie die Br�cke 45/). Ich war F�hrer eines
leichten Infanteriegesch�tz Zuges der nicht von 55 Mann besetzt, wie die
Sollst�rke w�re, sondern auf 8 -12 Mann zusammengeschrumpft war. Auch hat man
uns die Gesch�tze, wegen Munitionsmangels weggenommen und die Besatzungen dieses
IG.- Zuges infanteristisch eingesetzt.
Dieser Rest bestand aus einem Oberj�ger
und da er nicht indirekte Schussbefehle erstellen und geben konnte, war er als
Stellungsunteroffizier eingesetzt und hat die Schie�befehle, die er von mir aus
der B.- Stelle bekam, an die Gesch�tzf�hrer weiter gegeben. Die beiden Gesch�tzf�hrer
war Gefreite oder Gebirgsj�ger mit etwas Gr�tze im Hirn, um das dazugeh�rende
Ger�t richtig einzustellen. Als Schie�ende, so nannte man die, die indirekten
Schie�befehle ausarbeiteten, l�sten sich nicht immer, aber meistens die drei
Zugf�hrer der schweren Kompanie auf der B.- Stelle (Beobachtungsstelle in der
Hauptkampflinie) ab. Das war der Zugf�hrer, des mittleren Granatwerferzuges.
(8cm cal.), der Zugf�hrer des schweren Granatwerferzuges ( 12 cm cal.) und ich
als Zugf�hrer des Infanteriegesch�tz Zuges (cal.7,5 cm). Ob den anderen beiden
Z�gen auch die schweren Waffen weggenommen wurden, wei� ich nicht, denn wir
wurden irgendeiner Gebirgsj�ger Sch�tzenkompanie zugeteilt und von unserer
Kompanie getrennt.
Ich habe schon
erw�hnt, dass wir auf 8 � 12 Mann dezimiert waren und ich als Gefreiter, UA und
ROB den Zug f�hrte. Die noch "�briggebliebenen" waren au�er den schon
Genannten �ltere Jahrg�nge, die den Krieg mit wenigen Blessuren durchgemacht
hatten und Manche waren schon in Omga (St. Petersburg) und Millerovo (Ukraine) dabei.
Also wir bezogen
nach einigen Tagen unserer "Degradieung" unsere neu zu besetzende Stellung, es war im Grenzgebiet zwischen Oberschlesien
und der Tschechoslowakei, genau wei� ich nicht mehr wo. Da ich auch im 1. und
2. Jahr meiner milit�rischen Ausbildung infanteristisch als Gruppenf�hrer
geschult wurde, war die Aufgabe als Gruppenkommandant einer Infanterieeinheit
mir nicht Neues. Es stimmte jetzt etwa die Anzahl einer Sch�tzengruppe und der
einzusetzenden Waffen, leider ohne MG 42, da h�tte einer noch daran ausgebildet
werden m�ssen. Ich war ja daran ausgebildet, aber ich konnte nicht gleichzeitig
MG Sch�tze 1 und Gruppenf�hrer sein. Dazu fehlte aber die Zeit.� Und stand es noch daf�r? Also diese Aufgabe war von mir ohne weiters zu l�sen.
Sch�tzen- und Sp�hposten in der HKL einzuweisen (aufziehen nannte man dies
damals). Unser Frontabschnitt befand sich in einem Wald. Das war wohl
einerseits von Vorteil, anderseits sehr schwierig zu �berwachen. Da hie� es
sehr aufmerksam sein.
Ich nahm also die H�lfte meiner M�nner, der zu besetzende
Frontabschnitt war nicht zu gro� und wies sie, durch Blickkontakt noch
verbunden, auf ihre Pl�tze, und den ihnen zu �berwachenden Beobachtungsbereicht zu.
Und befahl Ihnen den erkennbaren Feind sofort durch Sch�sse abzuweisen und wenn
etwas unsicher sei, zuerst das Losungswort zu verlangen. Es war ca. 23 Uhr. Ich
sagte ihnen, dass ich sie um 3,00 Uhr durch die Anderen abl�sen lassen werde.
Ich ging in unseren Gefechtsstand. Es war eine K�che in einem noch halbwegs stehenden
und unbewohnten Haus. Den dort Verbliebenen sagte ich das Selbe, stellte einen
Wachtposten vor das Haus und gab den Befehl mich um 3 Uhr zu wecken. Wir legten
uns in der K�che, so gut es ging, schlafen.
Ich wurde auf einmal geweckte und nicht von dem Wachtposten, der vor den Haus stehen sollte, sondern von einem mir unbekannten Gebirgsj�ger, der mit einer Meldung zu einem Kompaniegefechtsstand war und dabei diesen entlang der HKL finden w�rde. Er fragte mich wo meine Posten w�ren und er finde niemand drau�en im Wald. Auch in der K�che war au�er uns Beiden kein Mensch. Nach kurzer Umschau, auch keine Waffen waren da, fand ich auf dem K�chentisch eine auf eine Zettel geschriebene Nachricht, die besagt, dass sie, vermutlich die ganze Belegschaft des ehemaligen I.G.- Zuges sich von der Front entfernt haben und �ber Schleichwegen (?) in die Heimat durchschlagen wollen. Der Brief war aber nicht an mich, sondern sonderbarer Weise an einen fr�heren Oberj�ger, der sehr kurze Zeit mich vertreten hatte und nicht mehr bei der Kompanie war, gerichtet.
Ich verst�ndigte mit dem Melder den
rechten und linken Anschlusspartner in der HKL., besprach mich mit den
jeweiligen Abschnittskommandanten, damit die L�cke, die durch das Verschwinden
des Zuges eingetreten war, geschlossen werden konnte. War es doch eine
Spanne von etwa 1 km. Da k�nnte eine ganze Russenkompanie ungesehen durchschl�pfen.
Dann begab ich mich zum Kompaniegefechtsstand. Ich fand sogar meinen Zust�ndigen
und meldete die ganze Chose und �bergab den Brief. Ich wurde dann zum Bataillonsgefechtsstand
befohlen. Ich dachte nun w�rde ein Tatbestandsbericht gemacht, aber nichts
geschah.
Einen Tag sp�ter musste ich zum Regimentsgefechtsstand und wurde als
F�hrerreserve eingesetzt. An einigen Tagen, wenn wir uns nicht gerade planm��ig
Richtung Heimat absetzten, bildete ich ca. 20 Mann Ersatz, erst jetzt an die
Front gekommene Soldaten, in der Bedienung von mittleren Granatwerfern aus, und
zog dann mit dem Regimentgefechtsstand weiter, bis ich den pers�nlichen Auftrag
des Regimentskommandeurs erhielt: "Halten Sie die Br�cke!" (Wie hei�t
es: "Aber das ist eine andere Geschichte!" Siehe: AUGENBLICKE/Halten
sie die Br�cke45/.)
Man kann sich ja vorstellen, welch mulmiges Gef�hl ich seit
dieser Angelegenheit hatte. Stand ja alles im Raum. Nach dem Milit�rstrafgesetz:
Mindestens Pflichtverletzung durch mangelnde Aufsicht auf der Feldwache und das
im Kriege, bis Verdacht der Mitwisserschaft oder gar Teilname und Hilfeleistung
zur Entfernung von der Truppe, wenn nicht gar Desertation (so hie� es damals).
Wer wei�, was so einem Reichsgerichtsrat alles einfallen kann. Das geht von Arrest
bis zur R�be ab oder Erschie�ung wegen Feigheit vor dem Feind.
Dass ich anfangs
eine Mordswut auf die Br�der hatte, ist sicher verst�ndlich. Mir, 10 Minuten
vor 12 dies anzutun. Und das war meine damalige Meinung: "Der Krieg ist aus. Es
kann sich nur um Stunden handeln", wie damals gro�goschert (�sterreichische Ausdruck f�r "Maulaufreisser") sagte.
Wir alle hatten genug vom Krieg und waren nur eine Gemeinschaft, die planm��ig der
Heimat zustrebte. Wer dann die Gemeinschaft verl�sst, die sich nur mehr
verteidigt, um nach Hause zu kommen, l�sst seinen Nachbarn, seinen Kameraden,
seinen Freund in Stich. Einer der vertraute, dass er nicht nur sich selbst von
vorne, sondern auch von der Seite durch einen Anderen gesch�tzt wird, wie er es
auch selbst tat. Das tut weh. Und das war das Unrecht. Auch wurden sie nicht
angegriffen oder beschossen. Es war ihr Leben zum Tatzeitpunkt nicht bedroht.
Das w�re vielleicht verst�ndlich, wenn es auch dann Feigheit vor dem Feind
gewesen w�re. Aber dar�ber k�nnte man ja reden.
Aber so? Wie konnte es
pl�tzlich zu so etwas kommen? Na ja. Der IG.- Zug war nie in der HKL. Von
Gaitalowo (St. Petersburg) durch die Ukraine, Rum�nien, Ungarn, Slowake bis
Oberschlesien. Immer einige 1000 Meter hinter der Hauptkampflinie. Ihre
Beobachter (Zugsf�hrer und Richtkreisunteroffiziere I, II gab es schon lange nicht mehr)) informierte sie �ber alle Unbilden, die sich da vorne
beim Feind und den eingesehene eigenen Truppen abspielten. Sie hatten das
Gef�hl des, wenn auch tr�gerischen Abstandes vom echten t�glichen
Kampfgeschehen. In ihrer Gesch�tzstellung da f�hlten sie sich sicher. Sie
ertrugen einen Feuer�berfall, Kameraden fielen dabei und wurden verwundet. Ein
russischer Sp�htrupp, der durchgebrochen war, wurde erfolgreich von Ihnen in
der Feuerstellung und sogar durch Gegensto� abgewehrt. Bei einem sehr schnellen
R�ckzug, die Mulis galoppierten mit ihren angeh�ngtem Gesch�tzen, kletterte ein
Mitglied des Gesch�tzbesatzung auf die Kurzholme, die hielten das aus, ladet
das Gesch�tz mit einer mitgenommenen Granate, stellte w�hrend des wilden
Galopps das Rohr h�her, Bolzen waren keine eingeschoben und schoss so den
Schuss auf die etwas 200 - 300 Meter hinter ihnen herjagenden Russen ab. Die
Russen stoppten ihre Verfolgung. Eine M�nchhausenstory, eine Geschichte aus
Tausendundeiner Nacht, nein durch mehrere Zeugen belegt.
Solche wilden Hunde
waren sie. Der so mit dem EK. Ausgezeichnete war unter den "P�ulesieren".
(Worterkl�rung am Schluss des Artikels). Und pl�tzlich ohne Schutzabstand dem
Feind im wahrsten Sinne des Wort von Angesicht zu Angesicht. Schutzlos mit
einem Wort. Sie hatte so nicht k�mpfen gelernt oder hatten es vergessen. Denn so
genannte wilde Hunde waren ja dabei. Dies war ein Ehrenname. Und die daraus
entstandene Unsicherheit (ohne Gesch�tze und in der HKL.) und dem Gef�hl, wir
werden unser Vorhaben auch schaffen.
Die letzten zwei Anmerkungen, Entfernung zu HKL und Wilden Hunde, sei das Pro zu ihrer Exkursion. Das waren auch damals, als die erste Wut abgeklungen war, wie ich schon sagte meine Gedanken dar�ber.
Aber was war los, dass ich zu keinem Tatbericht einvernommen wurde. Dies erfuhr
ich !60 Jahre! sp�ter, als ich Mu�e hatte, mein Leben aufzuarbeiten, und in 2 B�chern �ber den Vorfall meines IG.-
Zuges (Kampf um Schlesien 1944/45 von Hans von Ahlfen, ISBN 3-87943-480-8, Co.
Motorbuch-Verlag Stuttgart 1993), Seite 158, v�llig entstellt berichtet wurde. Die
Wahrheit lesen sie hier. Und auch von einem anderen Geschehen (Die
3.Gebirgs-Division 1939 -1945 von Paul Klatt , 1958 Verlag Hans Henning Podzun,
Bad Nauheim), handelnd. Beim Nachbarregiment unserer Division dem 138. GJR. ging
der Regiments Adjutant des 138- er und der Ordonanzoffizier mit einem Panzerbek�mpfungstrupp , mit
gel�ndeg�ngigen Wagen und Kr�der (Motrr�dern) mit Maschinengewehr 42, diversen
panzerbrechenden Waffen, alle mit Maschinenpistolen und viel Munition bewaffnet
(vermutlich, wenn nicht sicher, entschlossen, deutsche Milit�r- und sonstige
Streifen, wenn n�tig einen Kampf zu liefern) und jetzt kommt der H�hepunkt und
die geschlagene Volte: mit gef�lschten Papieren. Die nahmen kurz nachher in der
Nacht vom 3. zum 4.Mai 1945 denselben Weg, Richtung Heimat. Diese kamen durch.
Ich erfuhr es von ehemaligen 138- er Kriegskameraden.
Was mit den Soldaten, meines
IG.- Zuges geschehen ist, wei� ich bis heute nicht. Wenn einer von ihnen dies
liest. Er soll sich bei mir melden. Ich bin sehr interessiert, wie das das
Ganze dann gelaufen ist. Ich kam auch so durch und schreibe das im Alter von 83
Jahren.
NS.: P�ulesieren. Es ist ein echtes Wiener
Dialektwort. Aber ich glaube, dass falls es vom �sterreichschen Dichter Franz
Theodor Czokor in seinem Drama: "3.November 1918" vorkommt, ist es
als �sterreichisches Sprachgut einzusetzen. Oder f�r die gesamte deutsche
Sprache zumindest "pallesieren!". Es hebt sich stark von desertieren
ab und bereichert die Ausdrucksweise. Im "4.November 1918", glaube
ich, sagt der Zugf�hrer Geitinger, in Zivilberuf Markthelfer: "Ich bin
p�ulesiert�". Es kommt von p�ule = fern, p�ule gehen, auch pallesieren =
fliehen. Entweder aus dem lateinischen: vale = lebe wohl oder auch aus den jiddischen.
Pallit = Entsprungener. Es k�nnte auch franz�sische Wurzeln haben. (Peter
Wehle: Sprechen Sie wienerisch?) Der noch gebr�uchliche Ausdruck in Deutsch
w�re stiften gehen = heimlich ausrei�en, fliehen. Dazu geh�re wohl noch desertieren,
Desertion, damals Desertation = Fahnenflucht, denn ein Deserteur ist ein
�berl�ufer. Aber �bergelaufen zum Feind sind sie nicht. Sie sind nur
p�ulesiert, wie man auf gut wienerisch sagt. Aber ich bin kein Rechtskundiger.
Aber nach 63 Jahren werden wir keinen Richter brauchen.
Wenn ich mit
meinem AUGENBLICK vers�hnlich und mit einem kleinen Spa� ende, so soll
Anschlie�endes doch ernst stimmen und das Furchtbare eines Krieges aufzeigen.
Ich las in einer Zeitung �ber die Olympia Winterspiele 1936. Mir zwar nicht
ganz klar, was dieses ergreifende Gedicht in diesem Artikel sollte, aber es sei
hier auch erw�hnt. Es handelt vom Soldateneid.
"Der milit�rische
Eid!
Wer hat das Recht
zu t�ten
Dich zu
verpflichten.
In fremden
L�ndern der Leute
Hab und Gut zu
vernichten.
Auch ich musste
einst
Den Schwur laut
sprechen.
Durft� als Soldat
ihn niemals vergessen,
Doch dann kam des
Krieges Zeit,
Wie habe ich
meinen Schwur bereut."
(K. K. Nr.12/16.3.09)
Wenn der Autor des Gedichtes und die Zeitschrift schriftlich zustimmen, f�hre
ich gerne die Namen dazu an).
Das ist das
Gedicht einen ehemaligen deutschen Soldaten.
Es sollte f�r
alle Soldaten der Welt gelten.
Ich wei� nicht
was oder wie heute amerikanische, englische, franz�sische, italienische,
russische, israelische, chinesische u.s.w. Soldaten dar�ber denken. Und wie
denken heutige deutsche Soldaten dar�ber? Und wie dachten unter Anderen die
Soldaten in den Flugzeugen, die z.B. fl�chenm��ig Bomben �ber Wohnst�dte
abwarfen?
Zu bereuen ist
edel, aber es kommt meistens zu sp�t.