HERWIG LENAU - eine Bilanz

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Täglicher Alltag 41

Man wusste wirklich nicht, was man denken sollte, durfte und was nicht, und was man tun durfte und was nicht. Denn ein Teil wurde dafür bestraft und andere nicht.

Es geht um die Gräuel der Nazi, und ihr Verhalten im täglichen Leben. Der Vernaderung bei geringsten Verstößen, wie zum Beispiel, bei Witze über die Zeit und die Bonzen und das Abhören von Feindsendern. Und vielleicht, falls einmal wo schwarz geschlachtet wurde, das Kaufen und Verzehren dieses Fleisches und so weiter.

Ich meine nicht die Gesetzesverletzungen, die auch heute strafbar wären, wie Hochverrat, Desertion, und andere Delikte vom Diebstahl, Vergewaltigung, Raub bis Mord u.s.w. Dass die Desertierung heute einer eigenen Diskussion bedarf, sehe ich schlecht und recht noch ein. Sie hatte mich selbst, unter besonders schweren Umständen, betroffen. Dazu vielleicht ein anders mal.

Aber man wusste, dass dieses und jenes doch verboten war und doch.....!

Abgesehen von meinen Kasperliaden, schon geschildert in den Musen im 1000-jährigen Reich*). Man hörte, was der „Bom, Bom, Bom,- Bom“ (Paukensolo aus der Schicksalssymphonie von Ludwig van Beethoven)-Sender (Auslandssender aus dem feindlichen oder neutralen Ausland) gebracht hat. Man sagte, nimm von seiner Nachricht und von der des Wehrmachtsberichtes die Mitte, dann hast du etwa die genauen Zahlen und Daten.

Meine Mama schickte mir immer einen „Kriminalstrudel“. So wurde er im damaligen Volksmund genannt. Das war ein Mohnstrudel. ( Die Tante Pepi, meine Taufpatin hatte, da sie Berufsköchin war und Verbindung zum Waldviertel bestand, dazu die Möglichkeit.) Es war verboten diese Frucht zu essen. Sie sollte nur für die Medikamentenerzeugung gebraucht werden. Antischmerzmittel. Dieses Vorgehen sei aber nicht als Widerstand zu werten, sondern zeigt die Sorge einer Mutter, um die Gesundheit ihres Sohnes.

Wer aß nicht einmal einen schwarzen Schweinebraten. Das Adjektiv schwarz bezog sich nicht auf die Farbe des Bratens, sondern alle nicht gestatteten und nicht genehmigten Geschäfte. Die nannte man schwarz. Während und nach dem Krieg gab es den Schwarzmarkt, da bekam man alles verbotene und nicht auf legalen Weg zu Erhaltendes. In der Kriegsgefangenschaft erfuhr ich dass die Russen diese ihre Märkte, so halb gestatteten, damit ihre Lebensmittelversorgung nicht ganz zusammenbrach, und deshalb den grauen Markt nannten. Das mussten sie, denn sonst wäre ihre Marktwirtschaft zusammengebrochen. Aber die schwarzen Geschäfte gibt es noch heute.

Und wer außer mir machte nicht doch ein Witzchen über Göring. Sicher noch viele. „Warum heißt seine Tochter EDDA ? Warum? Ewigen Dank Dem Adjutanten!“ Oder diesen. Ich hörte den Witz bei meiner Aufnahmeprüfung in die Militärschule, in der Rossauerkaserne. Das war im Jahre 1940. „Hitler, Göring und Goebbels sind in einen Boot auf hoher See. Ein aufkommender Sturm schlägt das Boot um. Alle drei fallen ins Wasser. Wer wird gerettet? Wer? Deutschland!" Und der Spitzname GRÖFAZ (Größter Feldherr aller Zeiten), der in Wehrmachtskreisen sehr gebräuchlich war und auch DER SCHICKELGRUBER war ein zersetzendes Witzchen. Oder wie ein deutscher Generalfeldmarschall sagte :“Der böhmische Gefreite!“ Die Liste ließe sich fortsetzen.

Dass die meisten im Großdeutschen Reich wohnenden Volksgenossen, so hießen wir damals, Nazi wären, ja, vielleicht am Anfang, als es für Millionen wieder Arbeit gab, die aber vorwiegend einem Angriffskrieg dienten, das war eine andere Sache. Aber als man dann den Zwang verspürte, der einsetzte, war es aus mit der Begeisterung. Und dass es einige gegeben haben soll, die schon viel früher mehr ahnten, als wussten, habe ich auch erst später erfahren. Falls dies echt war und nicht nur aus einer Aversion kam, gegen das Regime zu sein und es sogar unter Umständen bekämpften, Hut ab, vor denen. Um sich so weit vorzuwagen, da hatte man schon gehörig Angst.

Aber das andere (all)gemeine Volk: Schweinsbraten, Mohnstrudel, Auslandssender und systemzersetzende Witzchen. Das waren sie auch. Sie wurde auch dementsprechend geahndet. Strafkompanie, Konzentrationslager oder Tod durch den Strang, aber auch nicht alle.

Und doch glaubten wir den Parolen. Wie die der bolschewistischen Gefahr. Sie war nicht so weit hergeholt. Aber jetzt weiß ich, das geschah nur, um die eigenen Gräuel in den Gas- und sonstigen Vernichtungslagern zu übertünchen. Denn von diesen habe ich nichts gewusst. Ich habe erst nach dem Krieg davon erfahren. Und ich kann mir ruhigen Gewissen sagen, auch meine Freunde, meine Bekannten und Verwandten meines Umfeldes wussten davon nichts. Und das Unwissen erstreckt sich nicht nur auf das Private, sondern auch auf die Militäreinheiten in dem ich Dienst tat. Denn falls es anders gewesen wäre, hätte man mir, der seine, sagen wir Antipathie, versteckt zu erkennen gab, sicher darüber berichtet.

Ich möchte nun schließen, aus echter Überzeugung und bescheidenem Wissen, dass Verbrechen, und andere Gräueltaten, strengstens bestraft werden sollen, und falls möglich und sogar mit Zinsen gut gemacht. Aber wenn Nichtwissen und somit im geläufigen Sinne auch Dummheit zum einem Tatbestand hochstilisiert wird, Verallgemeinerung und Vermischung von Tatsachen gezielt als Verleumdung eingesetzt und Sprechblasen zur Leitartikel-Überschriften werden, dann hört mein Glaube an die Gerechtigkeit auf.


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