HERWIG LENAU - eine Bilanz

Seite
Menü
Info
Sie sind hier:   Startseite > AUGENBLICKE > Musen im1000-j.Reich 40

Musen im1000-j.Reich 40

Musen im 1000-jährigen Reich.
Die waren zur freien Entfaltung nicht gefragt. Nur wenn man sich an die vom Staat vorgegebene vorgegebene nationalsozialistische Richtung hielt. Aber nicht nur musische Anwandlungen waren in mir, ich war auch etwas störrisch, eigensinnig, jähzornig oder vielleicht gar etwas leicht revolutionär damals, denn das Vokabel evolutionär, gab es damals noch nicht oder war nicht die Sprachmode. um zynisch zu sein. Aber so weit will ich gar nicht gehen. Nur gewisse erzwungene und mir nicht verständlichen Verhaltensweisen und neudeutsches Benehmen erzeugte in mir Widerspruch.

Ich konnte in meinem Alter (12-14 Jahre) nicht anders reagieren, als wörtlich zu kritisieren. Das heißt, ich war, wie man auf wienerisch sagt, „goschert“. Und das war halt nicht das Beste für einen Pimpfenführer. Ich wurde Ende Sommer 1940 in meiner Dienststellung als Jungzugführer degradiert. Meine Dienstbestätigung, so hieß die andere Dienstbezeichnung, ich hatte die unterste bekommen, war „Hordenführer“ (ähnlich analog Wehrmacht od. Bundesheer: Gefreiter) und durfte und musste am rechten Uniformhemd in einem schwarzen Kreis einem weißen Winkel tragen, behielt ich. Davon vielleicht in einem anderen Augenblick.

Ab dieser Zeit, bis zu meinem Einrücken nach Wr. Neustadt in die Heeres UV. Schule, verbrachte ich meine Freizeit, ich ging noch zur Schule, in einem Kreis gleichaltriger und gleichdenkender Buben und Mädchen und in einem von Deutschen Jungvolk (für Buben) und Jungmädchen zur Zeit nicht benützen Heim in B. Von denen sind mir nur noch eine Freundin aus dem Gemeindebau und eine später sehr bekannte Wiener Schauspielerin, die in der Nähe wohnte und der jüngere Sohn eines nahe gelegenen Gasthauses und ein gleichaltriger Bub aus unseren Bau, in Erinnerung. (Falls Ihr dies liest und genannt werden wollt, soll meldet euch!)

Wir waren keine Widerstandsgruppe*), dafür waren wir zu unreif. Wie schmückten uns auch nicht mit später bekannt gewordenen Beinamen, wie in Deutschland die Edelweißpiraten oder die in Österreich zu dieser Zeit und auch noch später genannten Schlurfe und Girls. Wir waren, unzufrieden, und auch enttäuscht. Unser Ventil war: Wir verspotteten die Nazibonzen. Nicht sehr heldenhaft, aber wenn ein Falscher uns erwischte oder dahinter kam, konnte es ganz gefährlich werden In der Hauptsache die der HJ und die Bekannten aus Wien. Wobei ich wieder die Rolle des Kasperls inne hatte. Wie, z.B. die rechte Haarschopfhälfte in die Stirn kämmen, halbabgedeckten Kamm unter die Nase halten, und imitieren: “Müt vürzehn Jarren gam ich ins Gloster, aber ich gonnte unter den Brüdern nicht warm werden!“ Oder einige hinkende Schritte und imitierend: „Mein Füüührer, im Saaale sind sextausend Mendschen und außerhalb des Saaales sind sextausend Mendschen, macht zusammen sexundsechzigtausend Mendschen!“ Diese Nummern spielte ich auch privatim auf den Stuben und in Zimmern während meiner Wehrmachtszeit und ich hatte immer Erfolg. Nur einmal bekam ich Schwierigkeiten. Vielleicht davon später.

Dass dieses von uns nur verspottetes Regime, Scheußlichkeiten und Verbrechen an unschuldigen Menschen vollbrachte, wussten wir nicht. Da war unser kindlicher Horizont zu klein und damals auch unvorstellbar, an solches auch nur zu denken. Und auch später bis nach Ende des Krieges habe ich von solchen Tötungslagern nichts gehört, noch solche gesehen. Und habe auch nicht an solchen teilgenommen oder auch nur gerüchtsweise gehört. Ja, wir hörten schon. Von Konzentrationslagern als Arbeitslager und die Juden müssten raus aus Deutschland, weil sie Feinde unserer Nation sind. Nach Amerika oder Palästina, später hieß es auch Madagaskar.

Die Schuld warum wir, das heißt, ich spreche von den 12 -13 Jährigen, diese kommenden Gräuel nicht vorhersehen konnten und nicht wussten, dass diese eine verbrecherische Organisation sei, weise ich zurück. Denn erstens waren wir zu jung und unreif, um ein solches nationales und auch internationales Wissen umzusetzen und daraus diese Folgerung zu ziehen. Und zweitens hörten wir in unserem Geschichtsunterricht nie etwas von einen Genozid an anders denkende oder seiende Menschen, wie die Pogrome des Mittelalters und im zaristischen Russland an den Juden, die Vernichtung eines großen Teiles der Armenier, die Ausrottung der Indianer wurde uns in Büchern als Heldentaten verbrämt dargebracht, die Burenkriege des Briten hielten wir , da er im Film gezeigt wurde als Parteipropaganda, da es ja gegen England ging und so blieb eigentlich nur die Geschichte von Herodes, welcher die Knaben im sogenannten heiligen Land ermorden lies, über. Und diese Geschichte wurde uns als Glaubenslehre dargebracht. "Glauben heißt nichts wissen". Der erste Satz in Religion, den unser Religionsprofessor in der 1.Klasse des Realgymnasiums VII., Kandlgasse philosophisch erörterte, dass dem nicht so sei, ist mir noch immer in Erinnerung. Und außerdem waren ein Großteil, wenn nicht die meisten Politiker des Auslandes 1938 auch nicht der Meinung, dass es sich dabei um ein brutales und unmenschliches System handelt. Hier wären zuerst die Anklagen und Anfragen zu richten. Und haben tragischer weise auch viele später grausam gemordete Juden zu dieser Zeit gelaubt, dass sie mit den
Judenverfolgungsparolen nicht gemeint seinen, denn so arg (?) wird es nicht werden.

Und als Fremdlinge konnten die Juden nicht bezeichnet werden. Sie sahen aus wie alle anderen und sprachen wie wir, sie waren auch genau so wie so angezogen. Außerdem war unser Umfeld ja sehr multikulturell, würde man heute sagen. in der Nähe meiner ersten Wohnung in der Kuefsteingasse gab es ein Chinesen-Haus. In diesem wohnten Chinesen und Chinesinnen, mit ihren auch österreichischen Lebenspartner. Einer der berühmtesten , ein Kind aus einer solchen Verbindung spielte beim Fußballclub Rapid in der 1.Mannschaft. Er hieß Dvoracek. Wir konnten so die Juden nicht erkennen. Die Hass grimassierten Karikaturen der Nazizeitungen waren auch nicht korrekt, sonder dienten nur propagantistisch, um Abscheu zu schüren.

Und die paar Juden, ich kannte, es waren nicht sehr viele, vielleicht 3 Familien (aus dem Gemeindebau), darunter auch mein Freund LIEBERMANN Kurti, waren eines Tages nicht mehr im Bau. Sie waren wie wir sagten, ausgewandert. Ich habe damals als 12-jähriger Bub nicht erfasst, was dies heißt. (Ich habe Jahrzehnte später versucht über Kurti etwas in Erfahrung zu bringen, aber vergebens. Einmal hieß in Amerika ein kandidierender Vizepräsident so. Könnte ein jüngerer Bruder von ihm gewesen sein.)

Warum dies alles unter Musen geschrieben steht. Eine musisch geistige Entwicklung entsteht mit der Zeit in der man lebt. Da gehört aber alles dazu. Was in Erinnerung ist, auch das Unterbewusste, da doch hie und da hervorkommt. Von meinen Kindheitserlebnissen, von dem ersten sozialistischem Parteilied als Kind: „Wir sind jung, die Welt ist offen, oh, du schöne weite Welt, ...... !“, über das Wiener Jungarbeiterlied: „Es pfeift von allen Dächern, für heut die Arbeit aus, es ruhen die Maschinen, wie gehen müd` nach Haus. Daheim herrscht Not und Elend, das ist der Arbeit Lohn..... ! (Dieses Lied wurde von den Nazis umfunktioniert und als eines der ihren ausgegeben). Nicht zu vergessen die politische Umfärbung und auch Umtextierung des sozialistischen oder vielleicht auch kommunistischen Freiheitsliedes "Brüder zur Sonne, zur Freiheit, Brüder zum Lichte empor, hell aus dem Dunklem , Vergangenem steigt unsre Zukunft empor". Diese Melodie texteten die Nazi um in :" Brüder in Schächten und Gruben, Brüder Ihr hinter dem Pflug. Aus den Fabriken und Stuben folgt uns´ res Banners Zug". Über den Kirchenchor „Tauet Himmel dem Gerechten, Wolken regnet ihn herab, als ließ in langen Nächten.... !“ und „Ihr Jungen schließt die Reihen gut, ein Toter führt uns an. Er gab für Österreich sein Blut...... !“ bis, um bei den Liedern zu bleiben: „Unsre Fahne flattert uns voran...... !“ Nicht vergessen darf und kann ich, an das letzte erzwungenen Lied aus der Kriegsgefangenschaft, welches wir täglich beim Morgen- und Abendappell singen mussten: „ Sowjetski Sojusam...... ! (Von Russland, dem Großen, auf ewig verbündet, steht machtvoll und mächtig die Sowjetunion..... !“Ich habe gehört,. dass die Melodie davon immer noch die russische Nationalhymne ziert.

Ja, außer den beiden Ersten und sowie dem Lied "Brüder zur Sonne, zur Freiheit!" wurde jedes Lied von der herrschenden Staatsmacht verordnet und so die freie Muse vergewaltigt. Aber es hatten nun weder die Nazis, die wegen Ihren auch durchgeführten verbrecherischen Unmenschlichkeiten tiefst zu verachten sind, und auch die andren autoritären Staatsgebilde meinen musischen Gedanken und Streben nichts anhaben können, außer dass sich diese Lieder in meinem Gedächtnis eingeprägt haben, um mich immer daran zu erinnern, was verordnete Gewalt anrichten kann.

Jetzt denke ich nur noch an diese teilweise furchtbare Zeiten und sage wie einst ähnlich Aristoteles: „ Stört mir meine Musen nicht!“ Und so lange ich kann, werde ich nicht müde werden, davon zu sprechen (denn singen kann ich nicht mehr), auch wenn man mich nicht hören will.


Seite
Menü
Info
Seite
Menü
Info
Seite
Menü
Info

Powered by CMSimple | Template by CMSimple | Login