HERWIG LENAU - eine Bilanz

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Miskolc 44


Miskolc 1944. Nachfolgende Erzählung ist keine Aufschneiderei, keine Angeberei, keine Beweihräucherung, sondern eine Tatsache. Sie wiederholte sich nie mehr und zeigt auch verschiedene Schwächen und zu kritisierende und auch abzustellende Mängel der „einst so siegreichen Deutschen Wehrmacht“ im vorletzten Kriegsjahr, 6 Monate vor Kriegsende (aber das wusste damals noch niemand) auf.

Meinen ersten Tag an der vordersten Front, in der vorgeschobenen B.-Stelle der schweren Kompanie für schweren 12 cm, mittleren 8 cm Granatwerferzug und leichter Infanterie Geschütz Zug habe ich schon unter Front 1944-1945 1.Dezember 1944 beschreiben und hinter mich gebracht, da hieß es durch den bereits mindestens 5 mal gestörten Fernsprecher. „B.-Stelle ( eine Ein-oder auch mehrere Mann Stellung ganz an der Hauptkampflinie, um der Geschützstellung, die sich ja weiter hinten befindet, genaue Werte zum Einstellen der Geschütze geben zu können) abbrechen und sammeln beim Kompanie Gefechtsstand!“ Ich packte meine Siebensachen, inklusive des leeren Kochgeschirrs, entfernte die Drähte vom Fernsprecher, hängte diesen um und marschierte, die eine Hand durchgleitend am gelegten Fernsprechkabel, zurück.

Es war noch sehr dunkel und der Himmel stark bewölkt und hie und da regnete es. So kam ich am Gefechtsstand an. Es war inzwischen schon etwas heller geworden und ich sah, dass die genannten schweren Infanteriewaffen in einem großen Bogen um den Gefechtsstand angelegt waren und die Soldaten waren dabei diese aus der zähen Pusztaerde auszugraben. Granatwerfer und Geschütze hatten Abstützungen, um den Rückstoß beim Schießen abzufangen. Und diese Halterungen bohrten sich bei jeden Schuss immer tiefer in die lehmige Erde. Es war eine Schwerarbeit diese herauszubringen.

Der Kompanie-Führer (Leutnant MAIER ?) war zum Bataillonsgefechtsstand gegangen, um Befehle für weiter Einsätze zu holen. Das Kommando im Kompanie-Gefechtsstand hatte der Kompanietruppführer Feldwebel MÜHLBACHER. Die Bedienungen der Werfer und Geschütze standen herum oder stocherten in der Erde, einige brachten Zugpferde, um einerseits die Waffen aus dem Schlamm zu ziehen und später sie vorzuspannen.

Wir waren zwar bei der 1.Panzerarmee, hatten aber keine Panzer, und die 3. Gebirgsdivision war eine motorisierte, aber mit den Kraftfahrzeugen schaute es auch nicht so gut aus. Wir hatte nur Pferde für Gespanne, das heißt schwere Waffen auf Räder, und Wagen, denen Pferde vorgespannt werden mussten. Die Nachrichtenleute holten die Drähte zu den Fernsprechen ein, wickelten sie um die Tragtrommeln. Versorgten die wenigen Sprechfunkgeräte. Und machte so wie alle anderen das Gerät zum Aufladen auf denn jeweiligen zugeteilten bespannten Wagen fertig.

In dieses Durcheinander rief plötzlich Fw. MÜHLBACHER, ohne mich vorher zu kontaktieren: „Ich gehe zum Bataillonsgefechtsstand und schau wo der Leutnant bleibt. Gefreiter SULZENAUER übernehmen Sie die Kompanie!“ Ich darauf zuerst starr vor Überraschung, dann befehlsgemäß wie gelernt: „Jawohl! Kompanie hört auf mein Kommando!“ Und verschwunden war MÜHLBACHER Richtung Miskolc. Die Jäger schauten kurz zu mir auf, nickten mit den Kopf und schwirrten weiter herum.

Jetzt stand ich da. Ich hatte keine Ahnung, wo die Hauptkampflinie verläuft und wo der Russe nach dem vorhergehenden Trommelfeuer angreifen wird oder schon angegriffen hat. Wir befanden uns auf einem freien Feld vor der Stadt Miskolc an einer erhöhten einspurigen Bahnlinie, die aus Miskolc heraus mit einer leichten Kurve nach Osten (?) führte. Die Jäger der Kompanie waren sowohl südlich, als auch nördlich des Bahndammes. Die meisten Geräte, außer zwei mittlerem Granatwerfern befanden sich nördlich der Bahnlinie. Südlich war nur in weiter Ferne der schnurgerade Horizont der Puszta zu sehen und nördlich in einer Entfernung von 1 - 2 km kleine Häuser von Miskolc und eine Kirche. Im Osten ca. 200 m entfernt neben des Bahndammes eine kleines Bahnwärterhäuschen.

Ich ließ die Waffen und Geräte und Pferde mit Betreuer im nördlichen Teil sammeln, wo auch ein Karrenweg nach Miskolc führte, ließ sie weit auseinander Aufstellung nehmen und bezog nachdem ich zwei vorgeschobene Posten im Blickfeld nach Süden schickte, am südlichen Hang, Richtung Norden Stellung.

Diese Entscheidung wurde durch den kurz darauf folgenden Rückzug vor unserer Stellungslinie, der schweren Maschinengewehr Kompanie bestätigt, die nach Miskolc einrückte. Dabei war auch von meiner Theatertruppe von Wr. Neustadt bis Wörgl DSCHARLIE DRAPELLA. Wir riefen uns unseren Kampfruf : “Bleib über!“ zu, und ich sah ihn nie wieder. Er wurde später verwundet und starb kurz nach dem Krieg bei einem Verkehrsunfall bei Baden bei Wien.

Wir blieben hinter dem Bahndamm liegen. Da wurde zwei Russen gesichtet, welche von Osten vermutlich der Bahnlinie entlang gekommen waren, und in das Bahnwärterhäuschen hineinschlüpften. Eine fatale Sache. Wir sahen sie nicht, aber vielleicht konnten sie uns sehen und unter Beschuss, nehmen.

Da tauchte vom Panzerbekämpfungstrupp des Regiments ein Jäger mit einem Ofenrohr auf. Nicht um uns einzuheizen. Der Begriff „Ofenrohr“ bezog sich auf seine Waffe. In den letzten Tagen bei unserer Ausbildung in Wörgl wurden wir damit vertraut gemacht. Es waren panzerbekämpfende Waffen, die auf der Basis einer Rakete aufgebaut waren. Die Panzerfaust ca. 60 –70 cm lang und das Ofenrohr bei 1,50 m lang. Beide trugen einen Sprengkopf mittels Raketenantrieb zw. 6 bis 300 m. Der Sprengkopf war aber so konstruiert, dass er beim Aufschlag auf der Panzerung diese durchschweißte und nur ein Stift, von der Größe eines halben Bleistiftes drang in den freigeschweißten Raum. Der richtete fasst gar nichts mehr an. Die Schweißexplosion innerhalb des Panzers tötete schon, oder verwundete die Panzerbesatzung. Der Einsatz bei einem Haus, sei es Ziegel, Holz oder Lehm hatte diese Wirkung nicht, es knallte und staubte nur ganz gehörig, vielleicht singen noch einige Zeit die Ohren vom Knall.

Ich hatte sicher nicht Absicht wegen der zwei Iwans einen Feldzug zu eröffnen, ich wollte sie nur vertreiben. Der Jäger von der Panzerbekämpfung sei hierher geschickt worden, da angeblich Panzer in der Nähe sein. Aber wir sahen sie nicht und haben auch keine Motoren gehört. Er habe zwei Raketen bei sich und wollte diese nicht wieder zurückschleppen. Denn leicht waren sie ja nicht. So schlug ich ihm vor, er soll die beide Raketen in das Bahnwächterhäuschen abschießen, vielleicht verschwindet der Feind. Gesagt, getan. Er feuerte die beiden Raketen auf das Häuschen, er traf es, die beiden Iwans sprangen heraus und liefen was die Füße hergaben dem Bahndamm entlang zurück nach Osten und unsere Flanke war wieder gesichert.

Durch mein taktisches Verhalten, sei es bei der Aufteilung, des Instellung Gehens , der Sicherung der Kompanie und auch mein Idee, des Freihaltens der rechten Flanke, hat mir bei den damals Beteiligten einen großen Stein im Brett eingebracht. Als ich ein Jahr später mit 126 Abszessen und großen Schmerzen in das Lazarett für Kriegsgefangene per Bahn transportiert wurde und bei jedem Schienenstoß vor Schmerz aufstöhnte oder auch schrie, war es ein Oberjäger von den schweren Granatwerfern, der bei Miskolc dabei war, der einigen sogenannten Kameraden, die sich über mein Verhalten mokierten und sich abfällig äußerten, ganz energisch zur Ruhe mahnte und mir ein guten Zeugnis in Kameradenführung und taktischen mutigen Einschreiten ausstellte. Da tat mir damals sehr gut.

Aber diese Kompanieführerepisode war bald vorbei. Der Komp. Führer ( Lt. MAYER) und Fw. MÜHLBACHER kamen zurück und die schwere Kompanie wurde in das nahegelegene Bükkgebirge verlegt, wo wir dann komplett aufgerieben wurden und nur 8 Mann der kämpfenden Truppe des I. Bataillon waren übrig geblieben.
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