HERWIG LENAU - eine Bilanz

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Massel durch Chuzpeh 44

Massel durch Chuzpe. Man lasse sich diese zwei Worte auf der Zunge zergehen. Und das im Jahre 1944. Wie kam es dazu.

Ich war nach schon drei-jähriger Militär ( Schüler ) Zeit in der Waffenschule für schwere Infanteriewaffen für Gebirgsjäger in Wörgl. Eines Tages wurden einige Kameraden und ich zu einem der zahlreichen Zimmer in unserem Barackenlager bestellt. Warum? Weshalb? Weswegen? Wir wussten es nicht. Nur dass es sich dabei um lauter körperlich Große ( oder wie Napoleon sagte: Nicht größer! Länger!) oder Lange handelte.

Da öffnete sich die Tür, und ein SS-Offizier erschien und befahl „Der Erste!“ Ja, das war nun ich. Der Erste – Größte – Längste.

Ich ging in die Stube und glaubte plötzlich im SS-Hauptquartier zu sein. Ganz hohe SS-Offiziere, Gruppenführer, Oberführer, Standartenführer, das Mindeste ein Sturmbannführer ( militärisch übersetzt: General, Generalleutnants, Oberste, Major) mit allen Christbaumschmuck behängt. (Ein despektierlicher Ausdruck von uns Gebirgsjägern in der damaligen Zeit für militärische Orden). Ich meldete mich militärisch durch salutieren ( der „deutsche Gruß “ war noch nicht eingeführt, der 20. Juli noch nicht gelaufen): „Jäger ( das war mein damaliger militärischer Dienstgrad) Herwig Sulzenauer meldet sich zur Stelle!“ Noch immer keine Ahnung was die von mir wollen.

Aber schon ließen sie die Katze aus dem Sack. „Du bist wehrwürdig, d.h. Ariernachweis bis zu den Großeltern, hast die erforderliche Größe, bist militärisch sehr gut ausgebildet und ein strammer deutscher Junge (dabei haben sicher meiner böhmischen Vorfahren im Himmel leicht geschmunzelt), du benötigst nur eine besondere nationalpolitische Schulung und nach drei Monaten kommst du als SS-Untersturmführer (Leutnant) zur SS-Truppe. Standartenjunker (Oberfahnenjunker oder Oberfähnrich) wirst du sofort nach Eintritt in die Ordensburg zur politischen Schulung. Du brauchst Dich nur freiwillig zu melden, ohne Aufnahmeprüfung, und dieses Dokument zu unterschreiben.
Mit den Wehrmachtskommandostellen ist alles geregelt!“

„ Na bumm! Jetzt schau´n wir g´sund aus!“ Ging mir durch alle meine Sinne. Nicht dass ich ein Widerstandskämpfer und großer Regimekritiker gewesen wäre, aber die SS war mir schon immer nicht koscher, um in der Überschriftssprache zu bleiben. Sei es die unbedingte politische Sturheit oder sei es der überpreußische soldatische Gehorsam (die Schillschen Jäger aus den Freiheitskämpfen gegen Napoleon: Sieg oder Tod!) Und da in letzter Zeit sehr wenig nur mehr gesiegt wurde, was blieb da noch über? Nur nicht zu denen!!! Das dreht sich in meinem Kopf wie ein Ringelspiel im Prater!

Da plötzlich die Eingebung: „Ich danke ihnen für dieses große
Vertrauen, das sie in mich setzen. Das ist eine hohe Ehre. Ich möchte es sofort mit großer Freude annehmen. Aber ich habe große Bedenken. Ich war noch nicht an der Front. Vielleicht bin ich ein Feigling und diese Schande kann ich meinem Führer ( vielleicht sagte ich sogar „ meinem geliebten Führer“ – aber der Zweck heiligt die Mittel ) nicht antun!“

Heraußen war es. Kurze Stille, als ging ein Engel durchs Zimmer. Dann schaut sich die Kommission kurz an und der Vorsitzende sagte: „Danke sie können gehen ( oder so war ähnliches )!“ Ich grüßte, wie sagte man damals „zackig“, macht eine noch zackigerige Kehrtwendung, und mit einem überzackigen Ausfallschritt verließ ich die Stube.

Die anderen Mulitreiber (Spottbezeichnung unter uns für Gebirgsjäger) stürzten auf mich ein: “Was war los? Was ist’s?" " Fragt´s mich nicht. Wir sollen zur SS. Ich bin nicht dabei!“

Und an der frischen Luft wurde mir das Ganze erst klar. So ein MASSEL: Ein 17 ½ jähriger Bub, sein ganzes Denkleben autoritär erzogen, befehlgewohnt zu reagieren, trotzt einem parteiverbrämten Blutgericht. Eine solche CHUZPE, ja dafür gibt es kein anderes Wort. Das muss einem erst einfallen und dies in sekundenschnelle.
Ich weiß es nicht, war es mein Wiener Schmäh, oder der durchsetzte Schweijk-Gen meiner böhmischen Vorfahren. Ich war so stolz auf mich, wie der Österreichische Feldherr Wallenstein: „Nun steh fest Erde, du hast noch keinen Größeren getragen!“

Ich wurde von diesen Herren nie mehr kontaktiert. Es war und wäre nicht zu glauben, was ich hier geschildert habe, wenn ich nicht 60 Jahre später bei einer Lektüre über Nazischulen erfahren hätte, dass Hitler gegen militärische Schulen im jugendlichen Alter war. „ Denn die wissen noch nicht, ob sie für diesen Beruf geeignet sind“. Und ich glaube heute, dass die Kommission diesen Standpunkt schon damals kannte. Denn nur so wird ihre Reaktion verständlich. Hauptsache: Ich war nicht dabei. Das ersparte mir während der Kriegsgefangenschaft und nach dem Krieg viele Unbilden. Wenn ich auch nicht ganz freiwillig dabei gewesen wäre.

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