HERWIG LENAU - eine Bilanz

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Gedenkjahr 2008

Im 1-er Link „AUGENBLICKE“ habe ich im 2-er Link „Bürgerkrieg“ für 1934 geschrieben, dass im Jahre 2004 Gedenkjahre anfielen. Aber noch ärger wird es 2008. Hier steht nicht nur 1848, sondern auch 1918. Bei den Beiden kann ich keine Zeitzeugenschaft anmelden.. Es folgen dann 1938, ein Gedenkjahr für mich persönlich 1948, und 1968. Ich werde versuchen diese zu schildern und meine Erinnerung als Zeitzeuge anbieten.

1848 ist über ein und ein halbes Jahrhundert her, die bürgerliche Revolution in Wien. Es soll sich auch in anderen Städten Europas zugetragen haben, aber ich bin kein Historiker, sondern Erzähler. Die bürgerliche Revolution 1848 errichtete sogar Barrikaden in der Herrengasse im jetzigen 1. Bezirk von Wien, man hängte den Kriegsminister auf einen Laternenpfahl, eine Kanonenabteilung stellte sich auf die Seite der Revolutionäre und Ober Feuerwerker ( heute Oberleutnant) Messenhauser befahl schließlich das Feuer auf reguläre Truppen, die kaiserliche Familie floh nach Olmütz, Erzherzog Franz wurde Kaiser Franz Josef für 60 Jahre, löste damit den I. Weltkrieg aus, der wieder das Gedenkjahr 1918 zur Folge hatte. Aber eines war wichtig. Johann Nepomuk Nestroy erlebte diese Zeit, schloss sich kurzzeitig den Aufständischen an und gewann sehr viel Einblicke, die er in einigen seiner Stücken niederschreiben konnte.

1918 war Schluss des I. Weltkrieges brachte unserer Familie nur geringe Erleichterung, denn mein Onkel Hermann, der Bruder meines Vaters war als Leutnant bei der Vorbereitung zur 7. Insonzoschlacht bei Görz (Gorice od. Gorizze) am 7.7.1917 gefallen und ein anderer Bruder, Onkel Franz, der bei der K.K. Kriegsmarine als Maschinenmaat seinen Dienst getan hatte, kam nach Hause. Die anderen beiden Brüder, mein Onkel Karl und mein Vater, waren noch zu jung, um an den ersten idiotischen und tragischen Völkermorden teilzunehmen. Aber sie spielten familiär beim nächsten Gedenkjahr eine Rolle.

1938. Familiär. Mein Onkel Karl wurde Postinspektor und leitete, das Postamt Amstetten. Er musste aber während des Krieges zur Feldpost nach Holland. Er war im Rang eines Oberleutnants. Er war aber wieder, nach einiger Zeit nach dem Kriege, da er nichts belastendes getan hatte als Oberinspektor, Leiter des Postamtes Amstetten und Vortragender und Prüfender in Postangelegenheiten. Ich traf einmal den pensionierten Postamtsleiter von St.Pölten, der erzählte mir, dass mein Onkel sein Lehrer und Beisitzer seiner Prüfung zum Amtsleiter war. Mein Vater war auch, wie sein Vater und der auch vorher genannten Brüder meines Vaters bei der Post. Mein Vater verdiente in den Jahren vor 1938 (Gedenkjahr) 125,00 Schilling monatlich. Er wurde aufgrund seines Könnens Oberpostwart und verdiente nach 1938 dann 335,00 Reichsmark und musste ebenfalls zur Feldpost ((im Rang eines Vizeleutnants) und kam in die baltischen Staaten, dann in russische Kriegsgefangenschaft, wo er aber schon Juni, Juli 1945 über Foscani entlassen wurde. Wir haben uns kurz versäumt. Er fuhr ab nach Hause und ich kam dort an, um in die Gefangenschaft zu gehen.

1938. Meine persönlichen Erlebnisse und Eindrücke als echter Zeitzeuge waren, wenn man die Zukunft mit einbezieht und das muss man, sehr divergierend. Einerseits sehr freudig die neue Zeit begrüßend. Ich wurde von der Begeisterung der Anderen angesteckt. Ich wusste ja nicht, ich war 11 1/2 Jahre alt, was die Nazi sind und wollen. Ich hörte nur dann ihre Propaganda und die schienen damit recht zu haben. Endlich Schluss mit diesem Mief des quasifaschistischen klerikalen biogottischen Ständestaates. Sie schafften mehr Arbeit. Wofür wusste ich damals nicht. Und mehr Geld für Papa. Ich ging gleich zu den Pimpfen, das waren die 10- bis 14-jährigen vor der Hitlerjugend. Viele Jungen ( so hieß es damals, nicht Buben) marschierten in Dreierreihen, 40, 60, 120 und mehr. Landsknechtstrommeln, Fanfaren, Lieder singen gemeinschaftlich, Krieg spielen im Gelände, wie Indianer und Trapper, Zeltlager usw. Aber das Wichtigste war: Jugend soll durch Jugend geführt werden. Kein erwachsener Aufpasser von Lehrern über sonstige Vorstände bis zu den Pfarrern. (Und doch bin ich damals nicht aus der Kirche ausgetreten, obwohl ich es selbst entscheiden konnte. Andere Zeitzeugen führen dies schon als Widerstand an. Na ja!) Immer wussten die Alten alles Besser und was wir Buben auch machten, es war schlecht. Nun durfte keiner von denen dreinreden. Ich war da mit Millionen begeistert.
Aber mit der Zeit verging die Hochstimmung. Alles mussten wir genau so machen, wie die Pimpfe aus dem Altreich. So hieß nämlich Deutschland in dieser Zeit. Alle österreichischen (das gab es ja denn nicht mehr, es hieß Ostmark. Wo das schon überall auf den Landkarten stand.) Vorbilder, Helden, Heerführer, wie Wallenstein, Radetzky, Daun und Maria Theresia, waren nicht mehr gefragt, nur mehr die Staufer und Salier bis zu den Hohenzollern, und Bismark. Aber als ich erfuhr, dass Friedrich II. nur der Große hieß, weil er Österreich Schlesien abgenommen hatte, und er der Größte sei und ich die XX–ogge Inseln lernen sollte, war es aus mit der Liebe. Ich meldete mich zum Militär (siehe Link „Militärschulen“), besuchte bei den Pimpfen keine Heimabende und sonstige Aktivitäten mehr, und versuchte nicht aufzufallen. Das ging nicht so einfach, denn mein böses Maul gemischt mit Wiener Schmäh spielte mir schon hie und da einen Streich. Aber es rettete sicher auch mein Leben. ( Link: Massel durch Chuzpe 44*). Das Übelste und Schrecklichste erfuhr ich nach dem Krieg, an dem teilzunehmen ich die “Ehre“ hatte. Zu sagen: „Ich habe meine Pflicht getan“ ist jetzt nicht ganz korrekt, sonder vielleicht: „ich musste meine Pflicht“ oder was man halt darunter versteht, „tun!“ „Ich wurde gezwungen meine Pflicht zu tun“. Das kann ich aber nicht sagen, denn ich habe mich ja freiwillig gemeldet. Wie man sich halt so in eine andere Schule anmeldet. Damit möchte ich aber heute nicht argumentieren, ich bleib dabei, um weitere Diskussionen abzukürzen „ich habe mich freiwillig gemeldet“. Dies habe ich auch bei der Befragung in der sowjetischen Kriegsgefangenschaft angeben. Ich habe es sogar schriftlich in kyrillisch und deutsch.
Alles weitere ist in meinen Aufzeichnungen von Schule Goldschlagstraße, über Militärschulen, und Front und Gefangenschaft ( diverse Links) ersichtlich

1948. Das Furchtbarste, was dieses Regime unserer Generation aufbürdete, erfuhr ich in und nach der Kriegsgefangenschaft. Und in meinem persönlichen Gedenkjahr 1948. Ich kam im Oktober 1947 aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft nach Hause und begann 1948 ein neues Leben und einen neuen Beruf. Der aber nicht meine Berufung war. Die kam erst 1965, aber davon steht schon sehr viel in anderen Artikeln dieser Homepage. Als ich als das erste Mal in der Kriegsgefangenschaft in der Lagerzeitung ein Foto von den Vernichtungslagern sah, diese ausgemergelten, ausgehungerten, kahlgeschorenen Gestalten, waren wir der Meinung eine neue Propaganda bricht über uns herein. Waren wir doch seit unserer Jugend immer einer autoritären Propaganda ausgesetzt seit 1933. Klerikal, Ständestaat, Naziparolen, und jetzt in der Sowjetunion. Das sind doch wir, sagte wir und auch ich, denn wir Kriegsgefangenen sahen zu dieser Zeit, es war so Oktober, November 1945, in den Kriegsgefangenenlagern genau so aus. Von den Gräueltaten, die man uns auch berichteten, waren wir erst ganz geschockt. Diese armen Lebewesen, wurde ja dann noch vergast und verbrannt. Aber nicht etwa aus hygienischen Gründen vielleicht wegen Seuchengefahr, nachdem sie gestorben waren. Nein, sondern systematisch, und vornehmlich nur weil sie Juden waren. Es soll über 1 Million gewesen sein. So ähnlich wurde auch im großen Stil sowjetische Kriegsgefangene, über 3 Millionen, getötet. Der ganze furchtbare Krieg. Und er wurde, so ist es jetzt sicher und dokumentarisch belegt, von Hitler und mit ihm von ganz Großdeutschland am 1. September 1939 gegen Polen begonnen. Dieser furchtbare Massenmord, für alle Juristereiinfizierten heißt es Mord, scheinen weitere Aufdeckungen direkt klein und nicht ungewichtig, obwohl es auch mit dem Gräuel der NS-Zeit zusammen hing.

Ich bin wieder teilweise im Gedenkjahre 1938. Ich habe vorhin erwähnt, dass ich voll Begeisterung zum Deutschen Jungvolk, zu den Pimpfen ging. Dir Anlaufstelle war in der Goldschlagstraße, Nähe Schweglerstraße. Mein erster Jugendführer ( zuerst Fähnleinführer, dann Jungstammführer) war der Afi. So nannten wir ihn, das soll auch sei illegaler Name gewesen. Er war ein sehr ruhiger, introvertierter, nicht eigentlich sympathischer Mensch. Aber er lies uns mit kaum merkbarem Druck machen was wir wollten. Entweder Liederlernen, Fußballspielen oder einen Aufmarsch machen. Doch vorher musste natürlich exerziert werden. Es war alles sehr spannend und für einen 10 1/2 aufregend. Später kam ich durch Gebietsaufteilungen, ich wohnte ja auf der Schmelz, zu verschiedenen Fähnleins, so hieß die größte Gruppe des direkten Kontaktes. (Jungenschaft, Jungzug, Fähnlein.) Eines in der Aliogasse, dann war es beim Ludo Hartmann Platz, dann die Kienmayergasse und zum Schluss Breitensee. Aber ich will ja vom Afi erzählen. Von allen anderen Fähnleinführer weiß ich keinen Namen. Doch einer, aber der war gefallen und mit seinem jüngeren Bruder bin ich noch bei den Pimpfen und später nach der Kriegsgefangenschaft öfters zusammengewesen. Er war dann in der Filmbranche tätig und wusste, dass ich Schauspieler war. Und immer wenn wir uns nur kurz auf der Straße sahen, sagte immer: „Jessas, gestern habe ich einen gesucht wir du. Aber ich habe auf dich vergessen!" Also lassen wir es Herr Zehetgruber.

Ich komme immer davon ab. Ich will ja vom Afi erzählen. Also, nur sein Name war mir immer noch bewusst. Er hieß Amon Göth. Es soll zu SS gegangen sein, dann ist er krank geworden und weil er irgendwie Schwarzgeschäfte machte, sei er teils hingerichtet, und teils wurde gesagt eingesperrt worden. Na ja. Kratzt mich nicht. Aber als dann 50 Jahre später das Buch und der Film „Schindlers Liste“ auf dem Markt kam, sah und las ich, dass ein SS-Hauptsturmführer Amon Göth, aus Wien stammend, in einem Judenvernichtungslager die Gefangenen aus Laune mit dem Gewehr von seinem Wohnbalkon aus erschossen hatte, wie ein Jäger ein Wildtier erlegt. Ich war entsetzt. Nicht nur über diese menschenunwürdige Verrohtheit, sondern das traute ich ihm wirklich nicht zu und ich forschte weiter. Und kam mit Hilfe meines Freundes Kisnandor darauf, das der vorher Beschriebene ein ganz anderer war. Der Amon Göth, der mein erster Jungendführer war, war auch zur SS gegangen, ist dann auch krank geworden und hat in dem Soucek Nazi Prozess in Graz eine unrühmliche Rolle gespielt. Er war bei dieser Neonaziorganisation nach dem Krieg dabei, aber als Geldbeschaffer. Da hat er krumme Schwarzmarktgeschäfte gemacht. Er wurde bei dem Prozess zuerst wegen Hochverrat, zum Tode verurteilt, dann auf lebenslänglich, später auf einige Jahre verurteilt und letztlich begnadigt. Er war während der Nazizeit zum Schluss hauptamtlicher HJ-Hauptjungstammführer und soll immer im bemitleidensartigen Tone hingewiesen haben, dass er quasi damit im Range von einem Oberstleutnant stehe.

Interessant ist aber, dass zur gleichen Zeit, fasst im gleichen Alter in Wien zwei Amon Göth (ein seltene Namenverbindung) gelebt hatten, die so nebenbei keinen Ruhm für ihre Vaterstadt einbrachten, sondern nur Abscheu, Schrecken und Wiederbetätigung des Nazismus, der schon überwunden geglaubt.

Ich wollte dieses alles vergessen und diese Gräuel aus meinem Gedächtnis entfernen (das heißt aber: „ vergessen heißt nicht verzeihen“), aber man wird immer daran erinnert, sei durch das furchtbare Ausmaß oder sei es durch Gedenkjahre, wie jetzt 2008. Wir werden nun laut alttestamentarische Rache, ich weiß nicht, bis ins wievielte Glied bestraft. Dazu möchte ich einiges für mich klar stellen und aufzeigen: Also! Ich soll selbst schuld gewesen sein. ( Ich war 1938 11 ½ Jahre alt. Ist das kein Schuldausschließungsgrund?) Und ich habe später dagegen nichts unternommen. Oder ich habe es zu mindestens geduldet. (Vom 4. August 1944 bis zum 8. Mai 1945, da war ich dann ja schon voll strafmündig. Oder damals erst ab 21 Jahre?) Aber da habe ich von diesen schrecklichen Vorgängen noch nichts geahnt, geschweige denn gewusst. In diesem Falle entsteht es auch kein böser Vorsatz oder grobfahrlässiges und fahrlässiges Verhalten. Auch wieder keine strafbare Handlung. Bitte, bestraft die wahren Täter mit der ganzen Strenge des Gesetzes. Aber lasst mich langsam in Frieden leben oder auch sterben.

Dieser Völkermord ist furchtbar und verdammenswert. Aber leider, leider kein Einzelfall. Ich erinnere nur den Massenmord an die Indianer (1494 ff. und im 18. und 19. Jahrhundert), an die Armenier 1917, an die Buren 18.. . Oder die Hexenprozesse des Mittelalters, wenn man diese Opfer zusammen zählen würde, käme salopp gesprochen auch einiges zusammen. Anführen will ich auch noch die Opfer; die der parteiideologischen Säuberung in der Sowjetunion daran glauben mussten. Bitte die Aufzählung wegen Nichtvollständigkeit zu entschuldigen, ich bin keine Historiker, sondern nur Beobachter, auch literarisch.

1968. Von den damaligen Studentenunruhen habe ich keine persönliche Erinnerung. Ich erfuhr viel aus Zeitungen und dem Fernsehen.

Denn ich war von meiner Familie mehr als tausend Kilometer getrennt in Schleswig Holstein. Und da machte mir etwas ganz Anderes Sorgen. Die Krise in der Tschechoslowakei, der Prager Frühling, wie er sich nannte. Zur Erinnerung. Die Führung der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, wollte sich vom osteuropäischen kommunistischen Staatenblock trennen und allein nur tschechische Kommunisten sein. Kam ja nicht in Frage, sagte das Politkomitee in Moskau unter der Führung von Leonid Breshnjew.

Die Westgrenze des Warschauerpaktes lag dann offen da. Der kapitalistischen Erzrivalen Deutschland und U.S.A. mit der Nato konnten ohne Widerstand mindestens bis zu dem Karpaten vorstoßen. Panzerarmeen des Warschauer Paktes, darunter auch aus der Deutschen Demokratischen Republik waren dabei, besetzten die Tschechoslowakei.

Falls es zu einem Krieg zwischen den zwei Machtblöcken kommt, die Lage wirkte schon bedrohlich, wie komme ich schnell nach Hause. Ich hatte mir schon ein Auto gekauft, der erste VW. Und da in Deutschland an den Tankstellen eingeführt war, dass man in der Nacht durch Einwerfen von DM-Münzen tanken konnte, sammelte ich diese um jederzeit von Rendsburg in Schleswig-Holstein nach Wien (über 1000 km), auch in der Nacht fahren zu können.

Gott sei Dank, es ging alles gut ab. Es gab keinen Krieg und ich konnte nach Saisonende Rendsburg in Ruhe verlassen. Wohnen möchte dort oben nicht. Die nackten Ziegelbauten störten mich schon sehr und das Essen war für mich nicht schmackhaft. Ich löste dann auch einen bereits abgeschlossenen Vertrag mit Detmold und ging nach St. Pölten. Näheres unter Link „Weichenstellungen*)“

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