HERWIG LENAU - eine Bilanz

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Ein Tag im Krieg 44



Ein Tag im Krieg.

In einer dem Humanismus zugehörigen Aufzeichnung, Ansammlung von Erlebten und Gedachten, darf im Abschnitt des Kriegs ein kleines, wenn auch für alle Anderen, außer den Beteiligten, eigentlich völlig uninteressantes oder banales Erleben nicht fehlen. Ich habe in letzter Zeit während der Erstehung meiner Homepage oft und viel darüber nachgedacht, ob ich diese Episode auch in meine AUGENBLICKE hinein nehmen soll. Einerseits war sie sehr kurz, das Ganze dauerte keine Minute. Anderseits haben andere, ich nehme an, dass davon Einige vielleicht doch Ähnliches erlebt haben, die Anderen hatten aber vielleicht private oder sonstige Gründe, dies oder Ähnliches zu schreiben oder zu erzählen. Ich will darauf nicht eingehen. Ich hab es aber wirklich erlebt.

Ich erwähnte in meiner bereits angeführte Homepage, dass ich im November 1944 in Ungarn im Bükkgebirge an der Front eingesetzt war. Ich übernachtete dort in der Feuerstellung der schweren Granatwerfer, Kaliber 12 cm, um am nächsten Tag in die B.-Stelle (Stellung für einen Beobachter für schwere Infanterie Waffen) nach vorne zur HKL (Hauptkampflinie) zu wechseln. Aber der Russe griff wie immer in den Morgenstunden unsere Stellungen an. Bei dem Abwehrfeuer durch die Abfeuerung eines schweren Granatwerfer Geschoßes, 12 cm Durchmesser, gab es einen so genannten Rohrausblaser. Der entstand, da die Treibladung des Geschosses nicht auf einmal explodierte, sondern in einem Zeitabschnitt, von durchschnittlich 4 bis 10 Sekunden abbrannte, und das Geschoss nur langsam, ähnlich einer heutigen NASA- Rakete, sich zuerst durch das Granatwerferrohr und dann, ja, das wusste niemand, irgendwohin weg geschleudert zu werden. Sie könnte auch noch im Rohr krepieren. Das war dann ein Rohrkrepierer und kein Rohrausblaser. Zu Erkennen des Rohrausblasers war,ein Heulen, welches in der Tonlage immer höher wurde dass anstatt des Knalles zu hören war. Da hechteten alle Soldaten der Stellung in irgendeine Deckung die zu erreichen war und jeder hoffte, dass das Geschoß nicht den Weg zu ihm nahm. Aber Gott sei Dank, flog es in Richtung Gegner und schlug außerdem nach ca. weiteren 100 Meter als Blindgänger ein. Das heißt es explodierte nicht.

Nach diesem Vorfall kam vom Bataillonsgefechtsstand der Befehl, dass ich nicht auf die B.-Stelle, die inzwischen schon von den Russen überrannt, sondern, durch einem dort gelegenen Wald, zu meiner etwa 1 km entfernten Geschützstellung mich begeben solle. Dort herrschte dann das ganz große Chaos. Ein in der Nähe eingeschlagene russische Granate, hatte einige Gebirgsjäger der Stellung verwundet und die noch Unverwundeten waren mit ihnen auf dem Weg zum Verbandsplatz. Das auf einmal Alle verschwinden, machten sie mir noch ein zweiten Mal, aber ohne Verwundete, und auch endgültig, am 24. April 1945 an der Grenze zwischen Oberschlesien und der Tschechoslowakei. Davon in einem anderem AUGENBLICK. In der Feuerstellung war nur mehr ein Fahrer, so nannten man die zu den Mulis und Pferden eingeteilten Gebirgsjäger einer so genannten voll motorisierten Elite- Gebirgsdivision. (3.GD. "Narvik"). Wir hatten zwar keine Kraftfahrzeuge mehr, sondern nur Muli und Pferde, die uns bewegten, aber so stand es im "Reibert". (Soldatenvorschrift der deutschen Wehrmacht bis 1945 und er gilt, zwar modifiziert, wieder heute für das gesamte deutsche Heer in der NATO.) Also der Mulitreiber, diesmal gegenüber anderen Auslegungen in meinen AUGENBLICKEN, Einer im wahrsten Sinne des Wortes, wollte allein zwei Muli vor die beiden Geschütze spannen, was ihm aber nicht gelang, denn die verlängerten Geschützholme waren durch das Kippen zum Einspannen in die Protze abgebrochen. Dadurch war eine Verbindung von den Mulis zu den Geschützen nicht mehr möglich. Ich gab ihm den Befehl mit den beiden Mulis zum Tross so gehen und die Geschütze dort zu lassen, wo sie waren. Ich mach zwar einen Fehler in der Aufregung, aber bitte berücksichtigen sie, dass ich erst ca. 3 Wochen an der Front und noch keine 8 Tage im Kampfgeschehen war. Ich vergaß den Richtmittelkasten mit Inhalt zu sprengen. Denn falls diese Geschütze nun den Russen in die Hände fallen, könnten sie ohne Richtmittel nicht indirekt schießen. Der Mulitreiber zog sichtlich erleichtert mit seinen Würschteln im Schweins- Galopp ab.

Ich hatte kein Verlangen meinen übrig gebliebenen Zug am Verbandsplatz oder sonst wo zu suchen, sondern machte mich auf zur Geschützstellung des mittleren Granatwerferzuges zu gehen. Vielleicht könne ich dort von Nutzen sein.

Und jetzt kommt die eigentliche Geschichte, die ich am Anfang angekündigt hatte. Ich zog quer zur Hauptkampflinie am Fuße des Bergrückens durch den Wald, als ich nach ca. 10 Minuten vorne halblinks links von mir, oben am Waldeshang, eine Bewegung merkte. Ich blieb stehen und sah hinauf. Da stand etwa 50 Meter oben ein Russe mit einer Maschinenpistole im Anschlag. Wahrscheinlich war er ohne gesehen zu werden durch die Frontlinie gelangt, und in das Hinterland der deutsche HKL geraten. Und ehe ich versah, schoss er eine Salve in meine Richtung. Ich hörte die Kugeln zwar Pfeifen, aber ich wurde nicht getroffen. Na, Bum! Ich ging in Deckung hinter einem dicken Baum, zog meine Pistole P 38, drehte den Mützenschirm nach hinten, Gott sei Dank hatte ich befehlsgemäß den Stahlhelm nicht aufgesetzt, und lugte mit einem Auge hinauf. Auch der Iwan war in Deckung gegangen. Da trat er plötzlich hinter einem Baum hervor, und schaute zu mir hinunter. Da schoss ich auch zweimal mit der Pistole in seine Richtung. Wir waren ja im Krieg und Feinde. Er verschwand wieder hinter einem Baum. Nach kurzer Zeit sah ich auf der anderen Seite seines Deckungsbaumes, wie sein angewinkelter Arm mit abgespreizten Fingen erschien, der nach einige Zeit hin und her schwenkte. So machte auch ich, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Dann trat er mit beiden Händen hin- und her schwenkend, in der linken Hand über seinen Kopf die MP haltend, hinter dem Baum ganz hervor. Ich macht nun das Selbe. Ich stellte mich neben den Baum und schwenkte auch beide Hände. In der rechten Hand über den Kopf meine Pistole. Das hieß, wir winkten uns zu. Dann machte er rechts um und marschierte zurück zur Frontlinie. Warum nicht: Kehrt? Die geographische Situation war eben so, und ich schildere die Wahrheit. Dann war er ganz verschwunden. Ich steckte meine Pistole ein und zog weiter. Es fiel zwischen uns Beiden kein einziger Schuss mehr, als wäre der Krieg für uns zu Ende gegangen. Zu mindestens sehnten wir Beide es herbei.

Diese kleine Episode hatte sich wahrhaftig so zugetragen und ist von mir keine Schönfärberei, sehr simpel und auch keine sonstige Erfindung zum Anreiz der Menschlichkeit an der Front. Sie ist journalistisch nicht aufgeblasen zu einem "Duell im Walde", und anschließend fallen sich die Beiden vor Rührung um den Hals. Diese Schilderung des Grundgedanken, auf wienerisch: "Menschen, Menschen san ma Alle!", ist in allen Medien und Kunstformen zu finden. Wie zum Beispiel: STS. < Großvater >: "Die Hand hat zittert, als i´ dem Russ´n an Tschick geben hab!" (Es gehört zu meinen Lieblingsliedern.) Es gibt aber schlimme und auch mehr zu Gemüt führende, Tränendrüsen drückende, Geschichten. Aber meine ist dies nicht und sehr kurz und spielte sich auch nur so ab.
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