HERWIG LENAU - eine Bilanz

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Am Markt in Nowozybkow 46

Es muss im Jahre 1946 gewesen sein, als mir dies passierte. Ich war das zweite Jahr in der russischen Kriegsgefangenschaft und hatte meine schweren Krankheiten größtenteils auskuriert, war nach einer Nachtblindheit ( siehe Link: Wolf ohne Rotkäppchen*) geheilt und in einem gemischten Kriegsgefangenen Lager, d. h. Deutsche, Österreicher und auch einige Ungarn waren dort, untergebracht und zwar in Novozybkow.

In dieser Zeit war ich dem Arbeitsprozess nicht unterworfen, sondern hatte die Aufgabe als sogenannter Konvoi, (Ärmelaufschrift nicht BP = Wojna Plennji = Kriegsgefangener, sondern BK, was das hieß, weiß ich nicht. Wir verballhornten es mit "Wachkommando", weil wir die anderen arbeitenden Kriegsgefangenen unter anderem zu überwachen und bei den Baustellen zu betreuen hatten.

Und da sind wir auch schon mitten drin. Der größte Teil der Lagerinsassen war in der Innenstadt von Novozybkow beschäftigt ein Elektrizitätswerk aufzubauen. Mit allen Vorteilen und Schwierigkeiten der Sowjetischen Arbeitsmoral. Dazu gehörte auch unter anderem, dass z.b. zur Abdeckung des Kellergewölbes kein Teer aufzutreiben war. So zogen 2 – 3 Konwojs mit einem deutschen Ingenieur und einem russischen Natschalnik durch den Ort und alle und zu Gesicht gekommen Teerpappen wurden „eingesammelt“. Dass diese Arbeiten nicht im Vaterländischen Tempo vor sich gingen waren klar. So mussten nämlich alle anderen auf uns warten bis wir nach einigen Stunden zurückkamen, damit die Kelleraufbauten abgedeckt wurden und der Aufbau der Stockwerke beginnen konnte.

Und bei einem anderen arbeitshemmenden Zwischenfall, ich weiß nicht mehr worum es ging, blieb ich bei der Truppe zurück, um die „Maurerdenkmäler“ zu bewachen. Aber eines davon hatte irgendwie bei einem Pfusch amerikanische Zigaretten bekommen. Und zwar Chesterfield in einer Packung zu 3 Stück. Er wollte sie gegen Milch eintauschen, durfte aber die Baustelle nicht verlassen. Ich hatte aber einen Berechtigungsschein (Propusk), laut dem ich mich in Novozybkow zu jeder Zeit frei bewegen durfte. Er ersucht mich nun die Zigarettenpackung gegen einen Liter Milch am Grauen Markt einzutauschen. Ja so was gab es. Der Schwarzmarkt war ja verboten. So gab es den grauen Markt, auf den du alles was du wolltet, soweit die nötigen Rubel vorhanden waren, zu kaufen konntest.

Ich nahm also sein Kochgeschirr und das Päckchen mit den 3 Chesterfield und ging zum Markt. Da war was los. Da standen Bäuerinnen, arme alte Leute, Kriegsveteranen und man sah auch hie und da versteckt irgendwelche Schwarzhändler, die sich zurück hielten und nicht Milch oder Butter und Gurzi verkauften. Zu so einem ging ich und hatte im Nu meine Chesterfields gegen 3 oder 4 Rubel eingetauscht. Jetzt suchte ich noch irgend eine Babuschka, bei der ich dafür einen Lichter Milch bekam, und macht mich auf den Rückweg. Das heisst ich wollte.

Denn plötzlich baute sich vor mir, zuerst unsichtbar in der Menge ein Politoffizier, erkenntlich an den grünen Farbe am Kappenrand, auf und hinderte mich am Weitergehen. Ich dachte der wollte meinen Propusk sehen und nestelte an meiner Uniform herum und sucht ihn. Ich fand ihn nicht und sagt dabei etwa so zu mir wie: „Fix Laudon, wo hab ich des wieder hingsteckt?“ Er sagte: „Nenada!“ ( Nicht nötig!) Dann im schönsten Wienerischen Dialekt, war es Hernalserisch oder Favoritnerisch: „Wos moochst denn do?“ Ich perplex: „Nix. A Milch hab ich g´kauft!" Er: „Hast du net ghandelt?“ (Das war nun streng verboten.) Aber meine drei Chesterfields verschwieg ich. „Na nur a Milch gkauft um 3, 4 Rubel!“ Und zeigte ihm das Kochgeschirr mit der Milch. Er:“Dann is guat!“ Und wollte gehen. Drauf ich naiv: „Ja san sie vielleicht a Wiener?“ (Nona!) Drauf er: „Des geht di gar nix an!“ Und weg war er.

Als ich dann am Abend in der Stube dieses Erlebnis den anderen Österreichern erzählte, war der Teufel los. Das wildeste Gerücht war, dass die Österreicher überprüft werden sollen, weil sie bald nach Hause kommen sollten. Dem war ja nicht so und ich glaubte auch damals nicht an dieses Märchen. Es war sicher ein Schutzbündler oder Kommunist, der aus Österreich unter Dollfuß geflüchtet war, hier zur Armee ging und dann bei der politischen Abteilung landete. Und wahrscheinlich hatte auch noch probiert, ob er noch Wienerisch sprechen konnte, denn Wienerisch ist nun keine Weltsprache, wie es i in einem Lied heißt.

 

 

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